Grasland-Mosaik bringt den grössten Nutzen

Grasland erbringt wie der Wald zahlreiche ?kologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leistungen. Im Kanton Solothurn haben Agrarforschende untersucht, wie sich diese Leistungen erhalten und verbessern lassen.

Drei Kühe auf einer Weide, im Hintergrund ein Streifen Wald und blauer Himmel
Weiden, auf denen Kühe grasen, bieten über die reine Agrarproduktion hinaus weiteren Nutzen, etwa für Wanderer. (Bild: Valentin Klaus / ETH Zürich)

In Kürze

  • Grasland erbringt viele Leistungen für Mensch, Tier und Natur wie Futterproduktion, Kohlenstoffspeicherung oder Erholung.
  • Forschende untersuchten zwei Jahre lang Dauergrasland, deren Nutzung, B?den und Pflanzengemeinschaften, um die daraus resultierenden ?kosystemdienstleitungen zu quantifizieren.
  • Das Grasland erbringt am meisten Leistungen, wenn verschiedene Nutzungsformen wie Wiesen, Weiden und ungedüngte Biodiversit?tsf?rderfl?chen mosaikartig zusammen bestehen.

Gras, Klee und Kr?uter sind ein Fundament der Schweizer Landwirtschaft: zwei Drittel der landwirtschaftlichen genutzten Fl?che der Schweiz ist Grasland, auf dem zu einem grossen Teil Ackerbau kaum m?glich ist. Vor allem in den Voralpen, Alpen und im Jura finden sich ausgedehnte Grasl?nder. Und Grasland wiederum ist die Basis für die Schweizer Milch- und Fleischwirtschaft.

Doch im Gegensatz zum Wald, dessen ?kosystemleistungen wie Holzproduktion, Ausgleich des Wasserhaushalts, Klima und Erholung in den K?pfen verankert sind, wird beim Grasland kaum über die vielf?ltigen und zahlreichen ?kosystemleistungen gesprochen, die es für den Menschen erbringt. Dabei ist es für unsere Ern?hrung sogar deutlich wichtiger.

Grasland ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und Hort der Biodiversit?t. Es schützt vor Erosion und erbringt kulturelle Leistungen wie ein attraktives Landschaftsbild mit weidenden Tieren, das Wandererinnen und Touristen erfreut. Das sind einige Beispiele für die vielen verschiedenen Leistungen oder Funktionen, die Forscherinnen und Forscher dem Grasland zuschreiben.

Leistungen und Bewirtschaftung eng gekoppelt

Doch welche Bewirtschaftungsart f?rdert welche Leistungen des Graslands ganz besonders? Dieser Frage sind Forschende der ETH Zürich und des Kompetenzzentrums für die landwirtschaftliche Forschung Agroscope nachgegangen. Ihre Studie ist soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.

In ihrer Studie haben die Forschenden 90 Dauergraslandfl?chen auf über 30 Landwirtschaftsbetrieben im Kanton Solothurn genau unter die Lupe genommen. Die Forschenden betrachteten dabei drei Bewirtschaftungsformen: Düngung (Dünger erlaubt oder ungedüngte Naturwiesen, sogenannte extensive Biodiversit?tsf?rderfl?chen), Nutzungstyp (Wiese oder Weide) und Bewirtschaftungsrichtlinien (konventionell oder biologisch).

Um zu verstehen, wie die Bewirtschaftung die verschiedenen ?kosystemleistungen beeinflusst, analysierten die Forschenden die B?den und die Pflanzengemeinschaften, die auf den Dauergraslandfl?chen vorkamen. Da unterschiedliche Anspruchsgruppen unterschiedliche ?kosystemleistungen bevorzugen, analysierten die Forschenden die Leistungen getrennt in produktionsbezogene Leistungen, regulierende Leistungen und kulturelle Leistungen.

?Wir haben einen deutlichen Effekt der Bewirtschaftung auf viele ?kosystemleistungen beobachtet?, fasst Valentin Klaus zusammen. Klaus ist Mitautor der Studie und Oberassistent am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich. ?Die eine Bewirtschaftungsweise, die wie ein Schweizer Taschenmesser alle ?kosystemleistungen erbringt, gibt es jedoch nicht.?

Mehr ?sthetik, geringere Futtermenge

Den gr?ssten Effekt auf die ?kosystemleistungen hatte die extensive Bewirtschaftung, die ohne Düngung auskommt. Darunter fallen zum Beispiel artenreiche Magerwiesen und -weiden. Solche Fl?chen steigern die Leistungen Artenvielfalt, Bodenschutz oder ?sthetik der Landschaft stark. Dafür gehen Futtermenge und -qualit?t zurück, was für Landwirte eine geringere Produktion bedeutet.

?Dieser Zielkonflikt zwischen Futterproduktion und kulturellen sowie regulierenden Leistungen ist bekannt. Wir konnten aber klar zeigen, dass extensive Graslandbewirtschaftung absolut betrachtet die meisten ?kosystemleistungen hervorbringt?, betont Klaus.

Unterschiedliche Leistungen von Wiese und Weide

Ebenfalls einen starken Effekt auf die ?kosystemleistungen wiesen die Forschenden bei der Nutzung von Grasland als Weide oder Wiese nach, also je nachdem, ob die Fl?chen vornehmlich beweidet oder gem?ht wurden. Zielkonflikte gab es aber auch hier, sagt Klaus. ?Weiden hatten mehr Pflanzenarten, zeigten eine bessere Futterqualit?t und waren sch?n, weil Tiere das Landschaftsbild bereichern. Wiesen hingegen produzieren die h?here Futtermenge, was für Bauern wichtig ist.? Zudem waren Wiesen ?sthetischer, weil insbesondere ungedüngte Wiesen am meisten blühende Kr?uter aufweisen.

Grüne Wiesen, teilweise gemäht, Hügel im Hintergrund
Grasland kann zu einem attraktiven Landschaftsbild beitragen, was ebenfalls eine wichtige ?kosystemleistung ist. (Bild: Valentin Klaus / ETH Zürich)

Weshalb Wiesen und Weiden solch unterschiedliche Leistungen erbringen, führt Klaus darauf zurück, dass die h?ufige Mahd von Wiesen gewisse Pflanzenarten f?rdert, andere hingegen verdr?ngt. Wiesen werden zudem im Durchschnitt st?rker gedüngt als Weiden, was sich ebenfalls auf viele ?kosystemleistungen auswirkt.

Vorteil von Bio-Grasland klein

Zu seiner ?berraschung zeigte die biologische Bewirtschaftung nur einen geringen positiven Effekt auf die ?kosystemleistungen des Graslands. ?Auf solchen Fl?chen fanden wir zwar mehr symbiotische Pilze und ein geringeres Risiko für die Auswaschung von Stickstoff, aber konventionell und biologisch bewirtschaftete Grasl?nder erbringen in etwa gleich viele Leistungen?, sagt der Forscher. Der Grund für diesen schwachen Effekt sieht er darin, dass konventionell und biologisch bewirtschaftete Wiesen und Weiden ?hnlich genutzt werden, also relativ intensiv gem?ht und ausreichend mit Dünger versorgt werden.

Für Klaus ist deshalb klar: Die eine Bewirtschaftungsmethode, die alle ?kosystemleistungen zugleich erbringt, gibt es nicht. ?Um die ?kosystemleistungen des Graslands in unseren Landschaften gezielt zu erh?hen und zu f?rdern, brauchen wir ein Mosaik aus allen genannten Bewirtschaftungsformen, also eine Kombination aus Fl?chen mit unterschiedlicher Düngung, sowie Wiesen und Weiden?, betont Klaus. ?Da es nicht den einen idealen Graslandtyp gibt, müssen wir immer eine Güterabw?gung vornehmen. Wir müssen uns fragen: Was nützt wem und wo am meisten??

Wiesen und Wälder, im Hintergrund Hügel
Von intensiv bewirtschafteten Wiesen über Weiden bis hin zu Biodiversit?tsf?rderfl?chen: Ein Mosaik unterschiedlicher Bewirtschaftungen erh?ht die Zahl der ?kosystemleistungen von Grasland. (Bild: Valentin Klaus / ETH Zürich)

Wenn auf einer Wiese vor allem Futter produziert wird, leiden die Artenvielfalt und andere wichtige Leistungen. Auf extensiv genutzten, ungedüngten Wiesen müssen Landwirte dagegen mit erheblichen Produktionseinbussen rechnen. ?Sollen alle ?kosystemleistungen erhalten und gef?rdert werden, braucht es die Kombination auf Landschaftsebene und auch auf dem Betrieb?, sagt der Wissenschaftler.

Die Erkenntnisse k?nnen die Forschenden nun bei der Beratung von Landwirten, Flurgenossenschaften bis hin zur kantonalen Beh?rde einsetzen. Die Studie hilft zudem, die unterschiedlichen Ansprüche und Interessen auszubalancieren und eine hohe Multifunktionalit?t des Graslands auf Landschaftsebene zu erreichen.

Literaturhinweis

Richter FJ, Suter M, Lüscher A, Buchmann N, El-Benni N, Feola-Conz R, Hartmann M, Jan P, Klaus VH: Effects of management practices on the ecosystem-service multifunctionality of temperate grasslands. Nature Communications, 7. Mai 2024, doi: externe Seite10.1038/s41467-024-48049-y

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